"Die Schriften an unseren Wänden" in der Praxis

Herangehensweisen und allgemeine Konzepte

Zwar hilft Ihnen EFT dabei, emotionale Themen theoretisch zu verstehen, jedoch wird Sie die praktische Anwendung dieses Verständnisses sehr viel weiter bringen. Hier sind einige Herangehensweisen und allgemeine Konzepte, die ich seit Jahren regelmäßig in meinen Sitzungen anwende.

Tieferliegende Probleme aufspüren

Eine meiner hilfreichsten Erkenntnisse als EFT-Anwender ist, dass wir niemals ganz fertig sind damit. Sicher, wir können eine Phobie oder ein spezifisches Ereignis sehr schnell auflösen, und es könnte dann so aussehen, als wäre das Thema schon erledigt. Aber in Wirklichkeit gibt es unendlich viele Schriften an unseren Wänden (Writings on the Wall - eine Metapher für Glaubenssätze und Blockaden, Anm. der Übersetzer) und fast immer sind tiefere Themen daran beteiligt. Das erfordert eine dementsprechend höhere Qualität unserer Arbeit.

Ich habe mit vielen Kriegsveteranen gearbeitet, z.B. solchen, die an schwerem posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) leiden, und dabei häufig beobachtet, dass die Intensität ihrer Kriegserinnerungen mit ihren Kindheitstraumata zusammenhängen. Interessant ist, dass wenn ich zwei Kriegsteilnehmer über dieselbe Gräueltat befrage, deren Zeugen sie waren, sie sehr unterschiedlich reagieren können. Der eine empfindet beispielsweise leichtes Unbehagen, wenn er darüber spricht, während der andere beim bloßen Gedanken daran Schweißausbrüche bekommt und unter Albträumen leidet. Die unterschiedliche Reaktion deutet gewöhnlich auf tiefere Kindheitserlebnisse hin. Es ist, als ob ihre momentane Reaktion auf die Grausamkeiten des Krieges übersteigert ist, weil sie wieder mit den früher erlittenen Traumata oder Glaubenssätzen konfrontiert werden.

Hier ist ein Viedeobeispiel mit John, einem Kriegsveteranen, dessen Kriegserlebnis für ihn wesentlich dramatischer war, weil es ein Verantwortungthema aus seiner Kindheit antriggerte.

 

Tieferliegende Themen aufspüren - dieses Video ansehen

 

Mit wachsender Erfahrung werden Sie immer häufiger auf diese tieferliegenden Themen stoßen. Ein deutliches Anzeichen dafür, dass Ihr Klient mit einem auftauchenden tieferliegenden Problem konfrontiert wird, ist, wenn Sie bei einem bestimmten Thema trotz EFT nicht weiterkommen (1), oder sich der Erfolg nur für eine gewisse Zeit einstellt, weil das Problem wieder auftaucht (2).

Jeder emotionale Zustand kommt von Innen
und
Es geht nicht darum, WAS dir widerfährt, sondern WIE du darauf reagierst

Diese beiden Grundhaltungen erlauben es uns, beständig tiefer in diese Tischplatten und Tischbeine vorzudringen, die mit unseren Schriften an den Wänden in Zusammenhang stehen. Sie durchschneiden quasi die Trümmer eines Themas und bringen uns voran zum Kern des Themas.

Natürlich sind wir versucht, anderen Personen oder Umständen die Schuld an unserem emotionalen Zustand in die Schuhe zu schieben, aber in Wirklichkeit liegt die eigentliche Ursache in uns selbst. Wenn wir z.B. Gefühle wie Ärger, Schuld oder Angst zulassen, könnte man meinen, äußere Umstände oder Personen seien Schuld daran, aber in Wirklichkeit erschaffen wir diese Gefühlszustände in unserem Inneren selbst... sie sind unsere "ureigensten Angelegenheiten". Folglich können zwei Menschen, die eine Schlange sehen, völlig unterschiedlich reagieren. Der eine bleibt ruhig, während der andere in einen Angstzustand verfällt. Nicht die Schlange hat diesen emotionalen Zustand herbeigeführt, sondern die seelische Verfassung der Menschen ist dafür verantwortlich.

Mit dieser Grundhaltung können wir vermeiden, dass wir mit EFT vermeintlich von außen kommende Ursachen bekämpfen und die wahren Übeltäter in unserem Inneren außer Acht lassen. Dies erspart uns eine Menge Zeit und verstärkt unsere Effektivität beträchtlich.

Der zweite Teil dieser beiden Grundhaltungen besagt: "Es geht nicht darum, WAS dir widerfährt, sondern WIE du darauf reagierst". Genaugenommen ist es dasselbe. Es ist lediglich eine andere Art, das Konzept auszudrücken, um es unseren Klienten besser verständlich zu machen. So bewegen sich Ihre Sitzungen viel schneller voran.

Das nächste Video demonstriert diesen Gedanken in Aktion:

 

"Die Arbeit findet im Inneren statt" - Video ansehen

 

Ist es folgerichtig?

Klienten bringen häufig Glaubenssätze vor. Diese reflektieren natürlich die Schriften an ihren Wänden und beeinflussen ihre Art, die Welt zu sehen, enorm. Einige dieser Denkweisen sind hilfreich, während andere unlogisch sind und den Klienten in eine ungesunde Richtung lenken. Dies kann Ihre Sitzungen behindern und den Befreiungsprozess Ihres Klienten verhindern - wie ein Korken der auf der Flasche der Freiheit steckt

Zum Beispiel könnte eine Frau, die Opfer einer Vergewaltigung wurde, den Standpunkt vertreten, alle Männer seien Ungeheuer. Obwohl dies ihr persönlicher Blickwinkel ist, und diese Ansicht allgemein verbreitet ist, ist sie dennoch sinngemäß falsch. Obwohl ein kleiner Prozentsatz von Männern Frauenschänder oder "Ungeheuer" sind, gilt dies nicht für die große Mehrheit, und wenn sie an diesem Glaubenssatz festhält, beeinflusst das ihr gesamtes soziales und gefühlsmäßiges Leben. Es hindert sie daran, Vertrauen aufzubauen und belastet sie unnötigerweise mit Angst und Ärger.

Es ist oft sehr einfach, dieses Problem anzugehen. Wir müssen für die Klientin unterscheiden, ob dieser Glaubenssatz folgerichtig und wahr ist oder ob es sich um eine emotionale Reaktion handelt. Um das herauszufinden, stelle ich üblicherweise die Frage: "Ist das folgerichtig?" Eventuell muss ich das noch mit folgender Frage ergänzen: "Sind wirklich ALLE Männer Ungeheuer oder ist das lediglich Ihre emotionale Reaktion?" Sehr häufig erkennt die Klientin sofort den Trugschluss in ihrer Denkweise und dieses "Aha-Erlebnis" erlaubt uns dann, die Sitzung in eine positive Richtung zu lenken.

Manchmal ist es hilfreich, dieses "Aha-Erlebnis" zu festigen, indem wir einige allgemeine EFT-Runden einflechten, wie z.B. "Auch wenn ich ich fälschlicherweise geglaubt habe, alle Männer seien Ungeheuer,...." Obwohl ich das gelegentlich so praktiziere, ist es für gewöhnlich nicht nötig.

Dieses Video unten illustriert dieses "Es ist folgerichtig"-Konzept in aktuellen Sitzungen

 

"Ist es folgerichtig? - Video ansehen

 

Gelegentlich glauben Klienten, ihre einengenden Ansichten seien folgerichtig. Wenn das der Fall ist, handelt es sich hier meist um ein größeres Problem und weitere Sitzungen könnten nötig werden, um einen besseren Einblick zu bekommen. Achten Sie in solchen Fällen bitte darauf, dass Sie dem Klienten nicht Ihre eigene Meinung überstülpen.

Die vielen Türen zu den Themen unserer Klienten
(Man kann nie wissen, wohin es führt)

Wenn Sie Ihren Klienten aufmerksam zuhören, entdecken Sie die vielen unterschiedlichen Türen, durch die sie eintreten können um mit EFT Erleichterung zu bringen. Ein Klient, der z.B. belastet ist durch Missbrauch als Kind, kann oft eine lange Liste von möglichen spezifischen Zugangsmöglichkeiten liefern. Dieser Klient könnte zusätzlich noch an körperlichen Beschwerden leiden (Kopfschmerzen, Rückenschmerzen usw.), oder unter Ärger, Schuldgefühlen und Angstzuständen. Diese Symptome sind ebenfalls hilfreiche Einstiegsmöglichkeiten für eine Sitzung und sie entstehen natürlich aus den Schriften an der Wand - den Glaubenssätzen.

Nun stellt sich die Frage, wo wir am besten anfangen. Manchmal lasse ich mich von meiner Intuition leiten, aber meistens nehme ich die erste Tür wahr, die mir praktikabel erscheint. EFT ist eine sehr sinnvolle Methode, an das Problem heranzukommen, denn man kann in einen bestimmten Bereich eintreten, dort für ein paar Minuten klopfend verweilen, und relativ schnell feststellen, ob sich ein angemessener Erfolg einstellt. Sollte dies nicht der Fall sein, kann man zurückgehen und einen anderen Zugang wählen. Auf diese Weise kann man sich effizient zu der erfolgversprechendsten Zugangsmöglichkeit hin arbeiten.

Im Laufe der EFT-Sitzungen werden sich die Themen Ihrer Klienten auflösen und neue Türen werden sich für Sie auftun. Dies führt dazu, dass Ihre Klienten Sie auf eine faszinierende Reise mitnehmen, deren Zielrichtung keiner von Ihnen beiden vermutet hätte. So werden Sie nie genau vorhersehen können, wohin die Reise geht. Aber Ihre Fähigkeit, Eintrittspforten zu betreten und zu verlassen, gibt Ihnen einzigartigen Beweglichkeit, um Ihren Klienten auf unvorstellbare Weise helfen zu können.

Die Wendigkeit, mit der man solche Türen betreten und wieder verlassen kann, wird am besten gezeigt in den "Art of Delivery" Videos. Die drei folgenden Gespräche sind bestimmt auch nützlich.

 

Die vielen Zugänge zu den Problemen der Klienten - Video ansehen

 

Aufgrund der Schriften an den Wänden gilt die Wahrheit einer Person noch lange nicht für eine anderen Person. Das heißt....

....die "einzig alleinige Wahrheit" gibt es nicht.

Zumindest nicht in dieser Welt. Dies widerlegt auch die Vorstellung, jemand befinde sich im Recht oder Unrecht, stattdessen sind wir aufgefordert, die Vielfalt der möglichen Sichtweisen auszuschöpfen. Um einen tieferen Einblick zu bekommen, könnten Sie sich selbst fragen, ob Ihre eigene "Wahrheit" jemals durch eine andere "Wahrheit" in Frage gestellt wurde.....sei es in politischer Hinsicht, in Beziehungen, Elternschaft, und allen Situationen, in denen Meinungen leidenschaftlich vertreten werden.

Achten Sie einmal darauf, wie die Leute ihre eigenen "Wahrheiten" davor verteidigen, von jemandem entkräftet zu werden. Was redet diese Person mit sich? Wie kann man eine gegenteilige Meinung akzeptieren ohne sich selbst zu entkräften? Haben Sie schon einmal beobachtet, wie eine Person die Intelligenz oder den Geisteszustand einer anderen Person in Frage stellt, nur weil diese anderer Meinung ist? Das tun wir alle.

In diesen Fällen würden unsere Schriften an der Wand sagen, dass jede Seite von ihrer Warte aus Recht hat und niemand immer im Recht sein kann. Obwohl wir uns alle darüber einig sind, dass Eltern ihre Kinder nicht missbrauchen sollten, niemand jemanden vergewaltigen sollte und die Welt besser wäre, wenn die Menschen aufhören würden zu lügen, zu betrügen und zu stehlen, ist selbst hier "um jeden Preis Recht haben wollen" nicht der Weg zum Frieden.

Eines der Geheimnisse auf dem Weg zu persönlichem Frieden ist es, das Bedürfnis, immer Recht haben zu wollen, aufzugeben; und eine solide Kenntnis unserer Schriften an der Wand ist dafür ein äußerst geeigneter Weg. Als EFT-Anwender so vorzugehen, kann Ihnen helfen, die Erlebnisse Ihrer Klienten mit größerem Mitgefühl zu betrachten, und ermöglicht es Ihnen, eine Vielzahl neuer erfolgreicher Alternativen zu finden.

Natürlich ist der Kunstgriff dabei, sich von seinen eigenen Schriften an der Wand frei zu machen.

Das Löschen und Überschreiben unserer Schriften an der Wand

Solange wir Schriften an der Wand haben, die unser Leben limitieren, ist es sehr schwer, diese Begrenzung zu überwinden. Jeder konkrete Versuch, neue produktive Glaubenssätze zu installieren, scheitert an erheblichen Widerständen in Form von inneren Saboteuren. Allerdings können wir mit EFT diese einschränkenden Glaubenssätze "löschen" und Platz schaffen, so dass der Klient diese durch neue nützlichere Glaubensmuster ersetzen kann.

Erinnern Sie sich an mein vorheriges Beispiel von den Eingeborenen und der Colaflasche aus dem Film "Die Götter müssen verrückt sein"? Erkennen Sie, welch "leeren Platz" die Schriften an der Wand hatten, als sie dieses fremde Etwas von Colaflasche betrachteten? Wenn dieser Raum einmal leer ist oder "ausradiert", können die Eingeborenen (oder Sie selbst) diese Lücke auf ganz neue Weise füllen oder überschreiben. Mittlerweile haben Sie vermutlich erkannt, dass nach einer guten Klopf-Runde spontane kognitive Veränderungen stattfinden können. Ich hoffe, jetzt wird deutlich, dass eine kognitive Veränderung der Beweis dafür ist, dass das negative Muster ausradiert wurde und der Klient es durch eine neue Sichtweise ersetzt hat.

Vom Inneren Saboteur zum Test

Indem Sie "Sagen Sie folgendes..." als Testmethode in Ihren Sitzungen verwenden, prüfen Sie, ob noch alte Glaubensmuster vorhanden sind, ob die alten Sätze noch immer an der Wand stehen. Nehmen wir z.B. an, dass Sie als Aspekt bei der Bearbeitung eines spezifischen Ereignisses herausgefunden haben, dass Ihr Klient sich über seine Partnerin geärgert hat. Das Ergebnis Ihres "Sagen Sie..."-Tests wäre dann vielleicht "Ich ärgere mich über sie." Wenn sich das nicht länger wahr anfühlt, ist das Glaubensmuster höchstwahrscheinlich verschwunden.

Sie können diesen Test aber auch noch verbessern, indem Sie das Gegenteil von Ärger untersuchen. Bitten Sie Ihren Klienten, "Ich verzeihe ihr" zu sagen, und Sie werden möglicherweise neue Intensität bemerken, wenn als Gegenwehr innere Saboteure auftauchen.

 

 

Copyright Gary und Tina Craig
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